Sunday, September 24, 2006

Das Chamäleon
Wie sieht das Innenleben eines Chamäleons aus?
Ich habe noch keines getroffen, dass mir diese Frage beantworten könnte. Jedoch habe ich Menschen gesehen, denen die Bezeichnung Chamäleon wie ein wohl geschneiderter Anzug passen könnte.

Ein Mensch, der, egal wo er hin geht, sich dort zu Hause fühlt. Ein Mensch, der, wo auch immer er ist, irgendwie merkt, er gehört auch dorthin. Ein Mensch, der mit allen Lebenssituationen zurecht kommt, irgendwie. Ein Mensch, der die Mentalitäten, denen er begegnet, schnell akzeptiert, der in seiner Sprache Akzente schell an nimmt, der sich generell schnell anpasst. Das ist ein Chamäleon Mensch.

Ein solcher kann extrem verloren sein und gleichzeitig ganz in sich aufgehoben. Wenn er aber nicht ausgeglichen und stark ist, in sich, dieser Mensch, dann mag es oft so sein, dass er sich schwächt, durch sein Anpassen, dass er unter seinem ständigen Farbwechsel leidet und es nicht früh genug bemerkt.
Flexibilität ist wichtig, sie kann aber auch zur Abhängigkeit werden, wenn der Chamäleon-Mensch nicht mehr anders kann als immer wieder zu wechseln.
Bringt ein Chamäleon jemals etwas zu Ende? Oder rennt das Chamäleon immer mal gerne vor schwierigen Situationen davon, passt sich lieber einer neuen Umgebung an, als die Tiefen der alten zu ergründen?

Es wäre schön, ein Chamäleon zu treffen, das mir dies beantworten könnte.
Es kann sein, dass das Chamäleon gar kein Innenleben hat. Es besteht dann nur aus dem, was es von Außen prägt, es besteht ganz und gar aus den vielen Farben, an die es sich anpasst.
Das geht eine Weile gut so, aber dann merkt doch auch das Chamäleon, dass es sein eigenes braucht, oder? Dass es sich selbst gar nicht sehen kann, vor lauter Farben und vor allem, dass diejenigen, deren Farben es (meistens liebend) annimmt, es auch nicht sehen! Das diese sich dann ihrer Farben beraubt fühlen, ist fast voraussehbar, denn das Chamäleon beginnt, sich damit zu zeigen, und wird dafür gelobt.

Das Chamäleon gibt selber nie. Es hat ja nichts zu geben, wenn es nur aus Farben besteht, die es an nimmt. Oder kann es vielleicht die Farben des einen an den anderen weitergeben, als wären es seine eigenen? Das wäre ja ganz schön gewitzt. So könnte das Chamäleon so tun, als ob es eigene Farben hätte. Oder sogar selber daran glauben... Gefährlich! Aber gehen wir davon aus, dass wir einem sehr selbst kritischen und ehrlichen Chamäleon begegnen, dieses würde vielleicht einfach nie eine Farbe geben. Es würde für immer eine Hilfe sein für andere, die geben wollen. Es würde das nehmen, was ihm angeboten würde, denn es hätte ja keine andere Wahl. So würde es ein Stück weit zu einem Abstellplatz für Versuchsfarben und vielleicht auch für alte, ungewollte Farben.

Sieht so das (Innen)Leben eines Chamäleons aus?

Bald muss das Chamäleon doch merken, wie sehr es immer mitgezogen wird, im Strom der Farbengeber um es herum, anstatt auch mal die Richtung anzugeben, anstatt auch mal ein Geber zu sein, ein Fels, um den es herum strömt. Seiner Seele muss es weh tun, immer nur geprägt zu werden, sein Selbstbewusstsein gibt es wahrscheinlich gar nicht, sondern an seiner Stelle eine Menge von Resonanz, die es von Außen bekam.

Wie durch ein Bilderbuch oder Fotoalbum kann das Chamäleon dann durch die Resonanzen in sich hindurchblättern und sich aussuchen was es glaubt zu sein und was auch nicht. Jedoch merkt es bestimmt bald, dass es selbst den anderen gar nichts bedeutet. Warum das? Weil es sich selbst nichts bedeutet. Es hat selbst keine einzige Farbe dazu getan. Lohnt es sich, so zu leben? Kann man so überhaupt jemand sein? Wenn ein Chamäleon gefragt wird, „wer bist du?“, was antwortet es dann?

„ Ich bin was du bist, ich bin ein Chamäleon“.

Interessant, dass wir in unserer Welt einen Namen für etwas haben, was nichts ist. Es ist etwa so, wie ein Spiegelbild zu fragen: „Wer bist du“, nur dass ein Chamäleon von selbst irgendwo herum laufen kann, so vor sich hin leben kann, ohne jemals etwas eigenes zu sein.

Ist ein Chamäleon ein Spiegelbild, das aus der Welt der Spiegelbilder in die unsere umgezogen ist, und hier unwahrscheinlich verloren ist?

Wie schön wäre es, ein Chamäleon zu fragen, was es dazu denkt. Aber, würde es antworten?

Vielleicht, ganz vielleicht, ist das Chamäleon auch ganz, ganz anders. Stellen wir uns einmal vor, von einem Chamäleon gefragt zu werden: „Was ist Identität?? Wer bist denn du?“. Und wenn wir dann - nach einigem Stottern, Nachdenken, Hin- und her Laufen und Kopfnicken, sagen was wir denken, wer wir sind und was Identität ist - das Chamäleon langsam den Kopf schüttelt und etwas sagt, was wir vielleicht nicht sehen wollen, nämlich: „Du bist auch nur was ich bin, ein Chamäleon.“ Ja, was dann?

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